Der Wiener Klangstil
Definition des Wiener Klangstils
Als Wiener Klangstil bezeichnet man die spezifische Art der Interpretation von Werken der Orchester- und Kammermusikliteratur durch Wiener (und zum Teil österreichische) Orchester, die sich bezüglich der stilistischen Ausführung und der klanglichen Präferenzen von internationalen Gepflogenheiten deutlich unterscheidet. (Widholm Gregor: "Wiener Klangstil" in: R. Flotzinger (ed.) - Österreichisches Musiklexikon, vol. 5. Verlag der Österr. Akademie d. Wissenschaften. pp. 2653–2654. ISBN 3-7001-3042-2.)
Betrachtet man die historische Entwicklung der Instrumentalmusik, so wird man feststellen, dass Orchesterwerke trotz einer im großen und ganzen einheitlichen Notierung in den verschiedenen Musikzentren Europas bezüglich des Klanges unterschiedlich realisiert wurden.
Die unterschiedliche Interpretation eines Werkes ist verständlich, wenn man bedenkt, dass diese nicht nur von den regional verschiedenen Gegebenheiten des Instrumentariums abhing, sondern auch von einer bestehenden Musiziertradition, der Mentalität und auch der Gesellschaftsform eines weitgehend geschlossenen Kulturraums beeinflusst wurde. Direkte, jedoch subjektive Vergleichsmöglichkeiten gab es nur durch weitgereiste Musikerinnen und Interpreten sowie eines kleinen, elitären Publikums.
Durch die Massenmedien änderte sich im 20. Jahrhundert die Situation schlagartig: Es entwickelten sich bald internationale, den Orchesterklang betreffende Normen und nur ganz wenige der berühmten Spitzenorchester können aufgrund ihrer klanglichen und stilistischen Eigenheiten klar erkannt werden.
Die Wiener Philharmoniker, deren Name im Bewusstsein der Musikfreunde in aller Welt mit dem Begriff der Wiener Klangkultur, beziehungsweise des Wiener Klangstils eng verbunden ist, sind ein solches Orchester.
So allgemein der Begriff "Wiener Klangstil" ist, so vage sind auch die Vorstellungen, die sich -selbst bei Musikern- oft damit verbinden. Die vorliegenden Beiträge sind als Hilfestellung gedacht, die wichtigsten Merkmale des Wiener Klangstils wie er sich heute darstellt und seine Ursachen verstehen zu lernen.
Gleichzeitig sollte man sich aber auch bewusst sein, dass die Art und Weise, wie Orchester- und Kammermusikliteratur interpretiert wird, im Kontext der Zeit zu sehen ist. Der Wiener Klangstil ist daher etwas sich durchaus Veränderndes. Unverändert bleibt jedoch das Festhalten an den klanglichen und stilistischen Grundprinzipien.
Das abgebildete Schema zeigt stark vereinfacht die beiden Haupt- und deren Subkomponenten, die für das Zustandekommen des typischen Wiener Musizierstils verantwortlich sind. Es sind dies:
- das Instrumentarium und
- der Mensch.
Das Verhältnis ihres Beitrages ist sehr unterschiedlich und hängt von dem jeweils betrachteten Instrument ab. Nimmt man als Beispiel das Horn, so zeigt sich, dass die Spieltechnik bis hin zu stilistischen Charakteristika sehr stark von den akustischen Eigenschaften des Instrumentes geprägt ist. Bei den Streichinstrumenten hingegen beträgt der Einfluss der Komponente "Mensch" nahezu 100%.